Ab und an taucht die Frage auf, was mir der minimalistische Lebensstil bringt. Immerhin befasse ich mich nun doch schon seit fast 15 Jahren mit diesem Thema. Also schaue ich mal etwas genauer hin:
Weniger aufräumen und weniger putzen
Weniger aufräumen zu müssen, ist wohl der Klassiker überhaupt. Ich muss nichts suchen und organsieren, was nicht vorhanden ist. Wenn ich mir die ein oder anderen Organistations-Videos anschaue, wie mit enormen Aufwand das ganze eigene Zeugs in schicke Organisationsbehälter verfrachtet wird, dann sehe ich genau das, was mich wirklich überhaupt nicht interessiert. Schon gar nicht hätte ich Lust darauf, das ganze offen herum stehende Zeugs ständig abzustauben. Voll gestellte Regale und Fensterbänke sind sehr viel mühsamer zu reinigen, als wenn die Flächen leer sind. Ich habe es schon gerne ordentlich, aber deshalb stundenlange Orgien, um mein Zeugs aufräumen und zu putzen: Nein!
Mehr visuelle Ruhe
Ich mag es, wenn meine Räume eher leer und übersichtlich sind. Mein Auge kommt zur Ruhe, was mir einfach sehr gut tut. Wir leben ohnehin in einer sehr reizzüberflutenden Welt. Selbst an einer gewöhnlichen U-Bahn-Haltestelle flimmern irgendwelche Videos, wir werden völlig überfrachtet. Ein minimalistischer Lebensstil ist da ein guter Ausgleich. Zumindestens Zuhause möchte ich mich nicht ständig mit Reizen überfluten lassen.
Ich war noch nie eine Deko-Queen
Deko ist nicht mein Ding. Es war auch noch nie ein Ding. Selbst kleine Versuche, haben letztlich nie funktioniert. Natürlich kann man auch eine minimalistische Wohnung angemessen dekorieren, ohne dass es überfrachtet ist. Allerdings habe ich einfach keinerlei Antennen für so etwas. Pflanzen sind beispielsweise – eigentlich – sehr schön. Aber man muss eben auch mit Problemen rechnen. Mal ist es irgendein Ungeziefer oder die Erde schimmelt schnell, oder, oder. Außerdem finde ich Pflanzen draußen in der freien Natur viel schöner. Da sind sie auch nicht in Blumentöpfen eingesperrt. Dann gibts ja noch Schnickschnack und Stehrümchen, dieses Zeugs bedeutet mir einfach nichts. Also warum mich damit herum quälen. Dann steht eben wenig herum. So lange es mir damit gut geht, ist es in Ordnung.
Minimalismus ist gesundheitsfördernd
Nicht auszudenken, ich hätte während meiner schwierigsten LongCovid-Phase in einer „normal“ befüllten Wohnung gelebt. Das wäre der komplette Horror gewesen. Meine Energie und Kraft lag völlig am Boden. Selbst so etwas gewöhnliches wie Staubsaugern reichte für einen Crash. Ich musste mir meine Kraft sehr bewusst einteilen. Mein minimalistischer Haushalt ist viel schneller und einfacher zu erledigen. Im Bad steht auch nicht viel herum. Die paar Sachen sind schneller und einfacher weg zu räumen. Ich konnte mich dadurch viel besser aufs Gesundwerden konzentrieren und war sehr viel weniger belastet.
Ganz nebenbei steht auch nicht viel im Weg herum, also kann ich auch nicht nachts im Halbdunkel davor rennen oder darüber stolpern. Ich werde ja nunmal auch nicht jünger und Stolperfallen in der Wohnung sind beim Älterwerden sehr tückisch. Noch wäre das kein Problem, ich möchte aber auch nicht, dass es irgendwann eins wird.
Weniger Ärger mit geplanter Obsoleszenz
Die Qualität der Dinge ist in sehr vielen Bereichen einfach grottenschlecht geworden. Möbel bestehen oftmals aus Pappe und Luft oder sind schnell wacklig. Küchengeräte gehen viel schneller kaputt, Kleidung und Schuhe fallen schneller auseinander als früher. Das ist definitiv so. In den 80er-Jahren bin ich beispielsweise überhaupt nicht auf die Idee gekommen, erstmal nach irgendwelchen Testberichten zu schauen, ob ein Produkt etwas taugt. Ich bin einfach in die Stadt gegangen, habe mir besorgt, was ich brauche – fertig. Heute bin ich manchmal schon froh, wenn ein Ding vor Ablauf der Gewährleistung kaputt geht und nicht 1 Monat danach. Dann bekomme ich wenigstens Ersatz oder eine Reparatur. Aber halt, reparieren geht ja oft auch nicht mehr.
Weniger Müll und Schrott
Die riesigen Müllberge werden zumindestens etwas kleiner, wenn erst gar nicht so viel entsorgt werden muss. Derzeit sind hier beispielsweise die Altkleider-Container komplett überflutet, Kleidung liegt offen und ohne Verpackung davor im Dreck. Kleidung soll nicht mehr weg geworfen werden, also landet sie jetzt vor dem Altkleidercontainer im Matsch. Ekelhaft. Und es macht deutlich, dass wir viel zu viel Kleidung haben. Ich bin froh, dass ich derzeit nichts entsorgen muss. Üblicherweise trage ich Kleidung auch so lange, bis sie komplett durch ist und eine Reparatur nicht mehr möglich ist. Danach kann man aber meistens noch Putzlappen daraus machen.
Frei von Möbelmonstern
Bestimmte Möbel mag ich immer noch nicht, mochte ich noch nie. Es gibt nicht mal einen bestimmten Grund dafür. Besonders so große Möbel, wie Kleiderschränke sind nicht mein Ding. Ich nenne sie deshalb gerne Möbelmonster. Ein Sofa habe ich nicht, da es mir mit meinem gespaltenen Lendenwirbelbogen einfach zu unbequem ist. Ich möchte aber auch nicht meine kleine Wohnung mit so großen, dicken Sitzgarnituren vollstellen. Wohnraum ist sehr teuer geworden, Kram bezahlt bekanntlich keine Miete, also wozu Möbelmonster?
Ich habe genug Dinge!
Genau genommen habe ich nicht wenig Dinge. Ich habe genug Dinge! Es reicht, mir fehlt nichts. Ich bin kein Asket. Eher ist es doch so, dass wir in einem gesellschaftlichen Umfeld leben, wo es normal geworden ist, viel zu viel Dinge zu besitzen und ständig etwas Neues zu wollen. Minimalistisch lebe ich daher doch eigentlich nur im Vergleich zum hier üblichen Standard der vollgestopften Wohnungen. Ich habe lediglich nicht übermäßig viele Dinge.
Kurzum: Was mir der Minimalismus bringt: Wie beschrieben, jede Menge Vorteile, mehr Lebensqualität, mehr Wohlbefinden und zumindestens etwas weniger Müll. Ich finde, das lohnt sich!
![Blick auf eine Küchenzeile](https://gabi.raeggel.de/wp-content/uploads/2025/02/IMG_20241223_121615-1024x771.jpg)
Ich schließe mich Daniel an. Den Satz „Was machst du mal, wenn du Besuch bekommst?“ kann ich nicht mehr hören. Wir haben kein Esszimmer und drinnen keinen Esstisch, hatten wir nie und werden wir nie haben. Im Sommer kann man draußen sitzen und im Winter gibt´s halt nur Kaffee und Kuchen, wenn man Besuch kommt. Es hat noch nie jemand abgesagt, weil er sich bei uns nicht an einen Esstisch setzen kann.
Ich finde vor allem die Entspannung für die Augen wahnsinnig hilfreich. Diese ständigen Reize in unserer bunten Welt brauchen auch mal einen Gegenpol. Wald geht auch, aber das ist mir zum wohnen gerade im Winter zu kalt und nass 😉.
Ich kann dieses Einrichten für Gäste auch nicht ab. Zumal ich äußerst selten und auch nicht gern Gäste hab, wenn dann eher nur 2 Personen. Und da kann ich auch die Balkonstühle nutzen.
Minimalismus, der Schild gegen Manipulation, Überkonsum, Geld- und Ressourcenverschwendung.
Wenn die Menschen erkennen und zugeben, dass wir (eher) kein Klima- sondern ( virlmehr) ein globales Ressourcenproblem haben, wird es für die auf Wachstum gepolte Wirtschaft und unbegrenzt kaufende Konsumenten ungemütlich. Minimalisten können da vielleicht entspannter drauf zugehen. Dauert noch, Erdöl sollte ja auch schon längst alle sein. Kommt aber, nur wann ist die Frage.
Gut auf den Punkt gebracht. Die Wohlfühlmenge haben und es fühlt sich gut an. So solls sein. Regelmäßig schauen, ob doch was zuviel/ungenutzt ist und schon passt es.
Ich denke ja, ist bei uns Routine geworden und dadurch wird es auch nicht mehr zuviel.
Hab einen schönen Sonntag, liebe Grüße!
Ja, kann ich gänzlich zustimmen. Obwohl ich/wir momentan sicherlich noch ein paar Teile mehr haben. Aber, es kommen nach und nach Teile weg und werden auch nicht nachgekauft. Egal um was es geht. Ich habe auch keine Lust mich um Mengen an Klimbim zu kümmern. Ist das nicht schrecklich wenn man stundenlang saubermachen muss ? Vielleicht hat auch manch einer eine Putzhilfe, die dann wieder bezahlt werden muss, dafür muss man dann wieder mehr arbeiten damit das Geld reinkommt usw.usw. Erscheint mir alles nicht erstrebenswert. Schon gar nicht sich so vollzumüllen. Alles wird irgendwann älter, geht kaputt, passt nicht mehr zu den Lebensumständen und dann muss es weg , irgendwie. Sehe ich sogar bei uns und wir haben vielleicht die Hälfte an Dingen, die die meisten Anderen besitzen.
Bei uns laden übrigens hier an allen innerstädtischen Altkleidercontainern immer wieder Menschen ihren Sperrmüll ab, ist auch nicht schön.
Die genaue Menge an Dingen finde ich ehrlicherweise auch zweitrangig. Das kann sich im Laufe der Zeit ja immer auch nochmal ändern. Wichtiger finde ich da sowas wie die persönliche Wohlfühlmenge. Ich hätte ja am liebsten nur einen Rucksack voller Dinge, ist aber mit eigener Wohnung komplett unrealistisch.
„Minimalismus ist das Ende des Organisierens.“
Leo Babauta
Das Motto gefällt mir am besten seit Jahren. Da re-designe ich oft genug was.
Dein Lebensstil ist so entspannt. Wenn ich mir „Raus auf’s Land“ anschaue. Warum sich mit 50 eine Bauruine kaufen? Ohne handwerkliche Vorkenntnisse. Selbstauferlegte Verpflichtungen. Es muss ja nicht jeder Traum ein Ziel sein. In Miete wohnen ist das Praktischste für mich.
Oh ja, der Satz von Leo Babauta ist einfach genial. Den Küchenkrempel finde ich nach wie vor etwas schwierig. Selbst wenig Küchenzeugs ist irgendwie immer noch viel. Dabei habe ich nur eine Pfanne und einen Topf.
Eigentum oder Miete – das hat natürlich alles so seine Vor- und Nachteile. Aber mir war Eigentum schlichtweg auch immer zu teuer. Mit meinem Gehalt wäre das ein finanzielles Hochrisiko geworden. Inzwischen wäre es mir außerdem auch zu aufwändig. Mit Ü60 wäre es zudem noch unsinniger, als mit 50 nochmal solche Projekte zu stemmen, wie du es beschreibst.
Mich nervt dieses Getreide Hin und Her. Nur glutenfrei schmeckt mir nicht. Auch wenn ich Hoshimoto weggegessen habe. Weizen soll ich nicht. Dinkel bleibt in mir stecken. Ich hab lieber ein fertiges Konzept. Und nicht dieses Ausprobieren.
Ehrlich gesagt, bin ich dieses Ausprobieren auch ziemlich leid und froh, dass ich jetzt eine gekaufte Brotsorte habe, mit der ich klar komme. Die Scheiben wärme ich aber immer etwas in der Pfanne an, das schmeckt deutlich angenehmer.
Und dazu selbstgemachten Schokoaufstrich, komplett ungesüßt: Gemahlene Sonnenblumenkerne, Backkakao und Öl. Ich liebe den bitteren Geschmack von Kakao (auch wenn es kaum jemand versteht) schmeckt traumhaft gut. Könnte man natürlich auch süßen, aber ich mag es lieber ohne.
Ich stelle oft fest, dass wir denken, Dinge zu brauchen, weil wir meinen, dass Andere denken, wir sollten diese haben. Sätze wie „Wie, du hast keinen Fernseher?“ (nee, aber einen Laptop #Neuland, haha) oder „Ohne Couch könnte ich nicht!“ höre ich zu oft. Auch „Was machst du mal, wenn du Besuch bekommst?“. Besuch ist selten, weil ich mich lieber draußen oder in einem schöne Café verabrede. 🙂 Ich merke aber, wie stark die Gewohnheit ist, zu denken, ich muss haben, was andere erwarten. Sich davon zu lösen ist der größte Verdienst, den Minimalismus mir gebracht hat und damit ein Stück Freiheit. Und tatsächlich, irgendwann kommen dann auch Sätze wie „Find ich klasse, wie du das machst!“. 😀
Danke für den schönen Beitrag in deinem wunderbaren Blog! 🙂
Insbesondere, wenn man solche Sätze („Wie du hast keine…“ oder „Da würde doch prima dies und das hin passen…“) öfter hört, muss man echt aufpassen, die eigenen Bedürfnisse überhaupt noch wahrzunehmen. Wenn aber jemand sagt: „Das könnte ich nicht…“ sag ich gerne: „Musst du ja auch nicht.“
Für mich steckt auch viel persönliche Freiheit im Minimalismus und nicht, weil es weniger Dinge sind, sondern, weil die Dinge, die da sind, einfach besser ins persönliche Leben rein passen und ich mich nicht ständig mit Zeug beschäftigen muss.
Raus in ein Café zu gehen, finde ich grundsätzlich eine gute Lösung. Bei mir ist das aber so eine Sache, die nicht immer passt. Cafés und Restaurants haben eine hohe Geräuschkulisse. Mit Schwerhörigkeit ist es auch mit super Hörtechnik sehr anstrengend, relevante von unwichtigen Geräuschen zu unterscheiden. Zuhause ist mehr Ruhe, daher gibts dann einfach ein paar Tassen und Gläser mehr. Aber das ist auch nur so eine Besonderheit bei mir.
Das Schwerste am Minimalismus ist glaube ich, auf seine eigenen Bedürfnisse zu hören und sich von den eventuellen Gedanken und Wünschen anderer leiten zu lassen.
Mut zur Lücke! 😉
Liebe Grüße, Sibylle
Vielen der oben genannten Punkte stimme ich zu. Insbesondere dem Satz „Ich hab genug Dinge!“ Bei mir kommt noch eine emotionale Komponente dazu. Habe ich das für mich richtige Maß an Dingen, dann ist meine Wohnung meine Heimatbasis, die mir einen sicheren Hafen bietet. Sind es aber zu viele Dinge, dann wird der Besitz zur emotionalen Belastung, als müsste ich all die Dinge in einem riesigen Sack mit mir rumschleppen. Und wer einen schweren Sack mit sich rumschleppen muss, kann sich nicht frei bewegen.