Bewegung ist Leben – raus aus LongCovid

Nun ist es tatsächlich schon 1 3/4 Jahr her, dass ich mich mit Corona angesteckt hatte und danach an LongCovid (bzw. PostCovid) erkrankt bin. So langsam habe ich das Gefühl, tatsächlich irgendwo am Horizont die endgültige Ausgangstür aus diesem LongCovid zu sehen. Es geht weiterhin bergauf und inzwischen fühle ich mich deutlich besser und fitter. Ein sehr langer Weg, aber er funktioniert tatsächlich. Was war bzw. ist dabei hilfreich?

Pacing = Achtsamkeit 24/7

Besonders schwierig ist der Umgang mit der Belastungsintoleranz (Myalgische Enzephalomyelitis). Seit längerem gelingt mir glücklicherweise dieses Pacing, also immer etwas unterhalb der eigenen körperlichen Grenze zu bleiben. Eine bestimmte Technik, Abfolge, Planung gibt es dafür nicht. Es ist das pure, reine Körpergefühl und dieses Körpergefühl muss man unterscheiden können von dem, was sich der Kopf so denkt oder das eigene Gefühlsleben gerade möchte. Ich nenne es gerne „Achtsamkeit 24/7.“ Sich nicht zu bewegen ist nichts, sich zuviel zu wegen ist auch nichts. Es geht um diesen schmalen Grat, der genau dazwischen liegt und der sich natürlich immer wieder ändern kann. Und das nicht nur bei den täglichen Bewegungsrunden, sondern in jeder Lebenssituation. Meine langjährigen Erfahrungen in Achtsamkeit waren und sind beim Pacing wirklich super hilfreich.

 

Integrierte Atem- und Bewegungsübung

Die integrierte Atem- und Bewegungsübung habe ich mir selbst überlegt. Anfängliche Überlegung war, dass, wenn es schon der Lunge schlecht geht, dann wenigstens nicht noch die Beinmuskulatur total abbaut. Also habe ich mich mit Spaziergängen versucht. Anfangs sehr kleine Runden. Darin integriert Atemübungen, genauer: die Lippenbremse. Das ist eine Atemtechnik aus der Asthmaschulung. Anfangs einfach nur, weil ich schlecht Luft bekam. Und irgendwann bemerkte ich, dass mir diese Kombination aus Atemübung und Bewegung gut tut.

Die Lippenbremse ist vereinfacht und laienhaft formuliert: Einatmen – auf „F“ ausatmen und dadurch: Kohlendioxid raus, Sauerstoff rein in den Körper. Bald bemerkte ich, dass es besonders effektiv war, sich dabei zu bewegen. Nicht nur während der Spaziergänge, sondern auch danach fühlte ich mich immer deutlich besser. Denn der Sauerstoff, den ich durch die Atemübung aufgenommen habe, hat sich natürlich durch die Bewegung im Körper besser verteilen können.
Bei dieser Übung bin ich geblieben und ich mache es bis heute so. Inzwischen schon fast automatisch. Bin ich unterwegs, sind immer einige Lippenbremsen-Übungen dabei.

Langsam fitter werden

Die Atmung wird inzwischen freier, ohne Asthmamedikament gehts aber noch nicht. Bergauf gehen und das Treppensteigen funktioniert jetzt deutlich besser. Ich komme jetzt auch in die 2. oder 3. Etage, ohne dass ich das Gefühl habe, ich breche zusammen. Die Längen der regelmäßigen Spaziergänge nehmen zu, für eine Halbtagswanderung reicht es aber noch nicht. (Das wäre mein Ziel für das nächste Jahr). Ich nenne meine Spaziergänge bis dahin mal einfach Mini-Wanderungen. Vorrangig für die Psychologie, denn ich finde, das klingt einfach netter. 😉

Erfreulicherweise funktioniert inzwischen auch ein Qi-Gong-Kurs, ein Kurs in Yin-Yoga (einer langsameren Yogaform) werde ich Ende Oktober angehen. Eine vergleichbare Yoga-Probestunde hat schon mal gut funktioniert. Diese eher ruhigeren, aber sehr bewussten Bewegungsformen finde ich ideal. Der Beweglichkeit und Muskulatur tut es auch gut. „Rabotti-Sport“ (also das übliche Fitnesstraining mit Kraft, Bewegung und Schnelligkeit) funktioniert bei mir nicht, ist bei LongCovid eh kontraproduktiv und ich habe ohnehin überhaupt keine Lust darauf.

Minimalismus und LongCovid

Ja, Minimalismus war und ist auch super hilfreich! Gerade in der Zeit, als es mir noch sehr schlecht ging, war es wirklich extrem wichtig, dass ich keine großen Putzorgien zu bewältigen hatte. Minimalismus ist kein Lifestyle-Luxus, sondern in der Situation ganz besonders pure Notwendigkeit. Es gab und gibt nunmal keine Deko-Stehrümchen abzustauben. Nicht auszudenken, die Küche oder das Bad stünde dann auch noch voll mit Dingen und würde das Aufräumen und Sauberhalten erschweren. Unerträglich! Das, was dann doch noch zu erledigen war, habe ich langsam, schrittweise und mit Pausen gemacht. Die noch vorhandenen Energien konnte ich durch Minimalismus viel effektiver nutzen.

Da ich ja auch ohne LongCovid nicht jünger, sondern älter werde, wird es dabei bleiben: Wenig Zeug, viel Leben. Es gibt einfach Wichtigeres und Schöneres, als sich sein Leben mit Konsum-Gerümpel zu verstopfen.

 

Eine Bank unter Bäumen mit Blick auf einen See
Ein kleiner Eindruck von meinen „Mini-Wanderungen“: Rombergpark in Dortmund

11 thoughts on “Bewegung ist Leben – raus aus LongCovid

  1. Hallo Gabi,
    schön, dass es zwar langsam, aber doch stetig besser wird. Bei Long- oder Post-Covid müssen viele, wie du auch, selber probieren was hilft. Leider gibt es noch keine etablierte Behandlungsmethode bei dieser komplexen Erkrankung.

    Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass wenig Besitz bei chronischer Krankheit das Leben enorm erleichtert. Vor etlichen Jahren hatte ich die Wahl zwischen Verwahrlosung und Entsorgung. Die Wahl fiel auf die Entsorgung von überflüssigem Hausrat. Ich hatte und habe nicht die Kraft einen aufwendigen Haushalt instand zu halten. Die Entscheidung fiel mir relativ leicht, weil ich nie so richtig viel hatte und die meisten Stehrümchen aus Faulheit schon vorher entsorgt waren. Eine leere Fensterbank ist einfach schneller abgewischt, als wenn da etwas rumsteht. Und auch Geschirr ist schneller in den Schrank geräumt, wenn alles nebeneinander steht und nicht erst etwas rausgeholt werden muss, um etwas anderes hinein zu stellen.

    1. Das kann ich wirklich sehr gut nachvollziehen! Mehr Besitz = mehr Aufwand. Und genau, es ist nicht einfach nur sowas wie minimalistische Bequemlichkeit (die ich auch gut nachvollziehbar finde!!), sondern es geht auch um Lebensqualität, gerade dann wenn man nicht so fit wie der Durchschnitt ist. Die eigenen Energien mit Pflege von Besitztümern zu verpulvern ist sinnlos.

          1. Ab sofort lebe ich in einer minimalistischen Komfortzone. Das hört sich trendy und stylisch an. 🙂 Und wenn Besuch kommt, der nicht hipp und in ist, der darf meine Wohnung auch ganz altmodisch mit maßvoll und bescheiden beschreiben. Gabi, du hast mir gerade zu einem wundervollen Lachen am Abend verholfen. Vielen Dank dafür.

  2. Es ist schön zu hören, dass es besser wird, wenn auch langsam.
    „Wenig Zeug, viel Leben. Es gibt einfach Wichtigeres und Schöneres, als sich sein Leben mit Konsum-Gerümpel zu verstopfen.“ du hättest es nicht besser beschreiben können.
    Weiterhin alles Gute.
    Liebe Grüße.

    1. Je mehr Zeugs man hat, desto mehr ist man in irgendeiner Weise auch damit beschäftigt. Insbesondere in Zeiten geplanter Obsoleszenz. Wenn man nicht aufpasst, bleibt man dran. Und am Ende hat man so viel Zeugs herum stehen, dass man da über irgendein blöd herum liegendes Kabel stolpert. Sowas muss ja nicht sein.

    1. Vielen Dank. Man braucht da von der Einstellung her gewisse Marathon-Qualitäten, die ich aber zum Glück habe. Ich sehe wirklich überhaupt nicht ein, dass ich 4 1/2 Jahrzehnte im Sozialbereich tätig war und dann pünktlich zur Rente überhaupt nichts mehr geht.

  3. Schön das es dir besser geht und deine Eigentherapie so hilfreich war und ist.“ Rabotti Sport“, ich grinse immer noch. Liegt wahrscheinlich daran das mir das auch nicht liegt. Habe heute morgen wieder mit Gabi Fastner geturnt, das ist so meine Alternative zum Fitnessstudio. Ich hätte das genauso angegangen wie du, bei deinem Krankheitsbild. Alles Gute weiterhin !

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