Minimalismus und die ersten Schritte in ein neues Lebensgefühl

Heute freue ich mich auf den Gastbeitrag von Mona. Vielen Dank dafür!

 

Ich heiße Mona, 64 Jahre alt und bin in Wien, Österreich zu Hause. Ich habe jetzt den alten und neuen Blog von hinten bis vorne gelesen und möchte euch erzählen, wie ich zum Minimalismus stehe. Eigentlich hatte ich immer schon das Bedürfnis nach Klarheit und Ordnung und war lange unglücklich in einer überfüllten Wohnung mit Partner und Kindern.
Jetzt wohne ich alleine und im April nächsten Jahres steht wohl ein Umzug an. Als ich mit dem Gedanken spielte, mir eine andere Wohnung zu suchen, sah ich mich um und schätze, dass ich wohl 30 Umzugskartons brauchen werde. Diese Vorstellung hat mich buchstäblich erschlagen. Ich suchte nach Tipps zum Ausmisten und Entrümpeln und stieß auf den Begriff Minimalismus. Ab da öffnete sich eine andere Welt für mich. Ich gab mir die Erlaubnis zum Loslassen und begann auszusortieren. Gegenstände, die emotional verbunden waren, fotografierte ich, bevor ich sie weggab. Das tröstete mich, denn ob sie im Schrank standen oder ich das Foto ansah, lief sich aufs selbe raus.

Im Geist war ich shoppen, die neue Wohnung hat keine Küche und ich schrieb endlose Einkaufslisten und verwarf sie wieder. Egal ob beim Schweden oder anderen Möbelburgen, ich begann zu hinterfragen, was genau brauche ich wirklich. Tagelang stöberte ich nach einem Spülschrank mit Geschirrspüler, bevor mir auffiel, dass ich ja gar nicht soviel Geschirr brauche, um so einen Spüler voll zu bekommen. Diese Erkenntnis warf mich um und ich erkannte, dass ich nur eine Spüle brauche und einen kleinen Geschirrschrank. Herd kann ich weglassen, ich habe eine Kochplatte und einen Minibackofen. Außerdem nur zwei Töpfe und eine Pfanne. Den Backofen kann ich auf einen Servierwagen stellen. Beim Kühlschrank bin ich noch unsicher. In dem Haus ist unten ein Lebensmittelladen integriert, da könnte ich das, was ich brauche, frisch holen. Eine Loggia habe ich dann auch für den Winter und im Sommer könnte ich ja mehr Frischgemüse und Obst essen. Das weiß ich noch nicht genau, ich werde jetzt im kommenden Winter mal für einige Wochen den Kühlschrank abstellen und ausprobieren, wie ich zurechtkomme. Milchprodukte habe ich nicht, außer mal ein Joghurt oder ein Stück Käse. Fleisch esse ich selten, schmeckt mir nicht so. Kaffee trinke ich schwarz in einer French Press. Die Küche wird also von einer kompletten Küchenzeile zu einem Schrank mit Spüle reduziert. Oberschränke mag ich nicht, ich will nicht auf Leitern steigen um oben Staub zu wischen.

Da komme ich zum nächsten Thema, bis jetzt war für mich klar, dass ich eine Schrankwand besitzen werde. Seit gestern überlege ich, ob ich das wirklich brauche. Ich habe zwei Jacken, drei lange Kleider, die aufgehängt werden sollten. Sonst T-Shirts, Hosen, die kann man auch zusammenfalten. Statt einer Schrankwand sehe ich nun nach einem Meter Schrank, vielleicht auch noch eine Kommode, das ist noch nicht sicher. Mein Bett will ich mitnehmen, die Matratze ist noch gut, aber wer weiß, was ich bis zum nächsten Frühjahr im Kopf haben werde.

Statt 30 Umzugskartons bin ich jetzt soweit, dass ich überlege, ob ich überhaupt welche brauchen werde. Ich habe große Taschen, einen Koffer und Unterbettboxen und wenn ich selbst ein paarmal mit der U-Bahn hin und herfahre, kann ich die Taschen leeren und neu befüllen. Vielleicht zwei Kartons für das Werkzeug und Geschirr, mehr brauche ich vielleicht nicht.

Interessant ist, dass sich Minimalismus wie eine Kettenreaktion fortsetzt. Ich überdenke meine Vorräte, schaue nach Unverpacktläden und bin wählerisch geworden in meiner Ernährung. Ich mag kein industriell gefertigtes Essen mehr kaufen, habe bemerkt, dass ich Brot nicht gut vertrage und suche nach Rezepten. Ich spare Strom und trennte mich von einigen Geräten. Bis zu meinem Umzug sind es noch einige Monate und die Reise geht weiter. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich schon am Ende bin. Danke für den Blog, er hat mir sehr geholfen, Klarheit in mir zu finden.

24 thoughts on “Minimalismus und die ersten Schritte in ein neues Lebensgefühl

  1. Hallo Mona,

    lieben Dank für deine Einblicke.

    Der Tipp mit dem Fotografieren von Dingen und Erinnerungsstücken hat echt geholfen. Neulich habe ich versehentlich den USB-Stick gelöscht, auf dem viele solcher Fotos drauf waren und ich war selbst überrascht, dass es mir nur ein Schulterzucken entlockte. 😀

    Viel Freude auf dem weiteren Weg!
    Daniel

    1. Oh, gleichermaßen spannend wie interessant. Mir ist vor etlichen Jahren mal eine Wechselfestplatte mit digitalisierten Fotos aus analogen Zeiten kaputt gegangen. Danach besaß ich kaum noch Fotos von früher, da ich nicht doppelt gesichert hatte. Aber letztlich reicht es mir auch aus.

    2. Hallo Daniel, die Erinnerungen hat man im Kopf und da bleiben sie auch, solange man will. Ich denke auch nicht, dass ich mir alte Fotos noch mal ansehen werde. Aber im Moment der Trennung von dem Gegenstand hat es mir geholfen. Ich konnte dann leichter loslassen. Bis jetzt habe ich nichts vermisst, im Gegenteil, es macht sich ein befreiendes Gefühl breit, ein Hauch von Freiheit. Ich habe ein paar DVDs gefunden und habe festgestellt, dass ich kein Laufwerk mehr besitze. Nun überlege ich, ob ich mir einen Player ausleihe, die Filme nochmal ansehe und danach feierlich entsorge. Vielleicht im Winter, mal sehen.
      Es ist ein spannender Weg, den ich da gehe, schön, dass ihn viele mit mir gehen!

  2. Hallo Mona,
    zum Thema Kühlschrank: Ich habe jahrelang ohne Kühlschrank gelebt. Im Winter war kein Problem, da war es in der Küche kühl genug. Die Sommerhitze erforderte einige Maßnahmen, weil z.b. Butter schmolz und Käse bereits nach einem Tag schmierig war. Zum Ausprobieren, ob ein Kühlschrank wirklich nötig ist, wäre der Sommer besser geeignet.

    1. Liebe Violetta, ich habe auch schon überlegt, jetzt schon mal auszuprobieren, wie es klappt ohne Kühlschrank. Ich habe mich schon informiert über Butterlagerung. In einem Keramikgefäß mit Wasserkühlung soll es klappen. Also werde ich den Inhalt aufbrauchen und dann einen Versuch starten. Da ich in der neuen Wohnung nur einen Raum habe, möchte ich mir das Geräusch des Kühlschrankes wirklich sparen. Wäre schön, wenn es geht, dann habe ich vielleicht beim Auszug ein Stromguthaben. Jetzt nutze ich am Morgen nur den Wasserkocher für die French Press und nehme das übrige warme Wasser gleich zum Abspülen für das Geschirr vom Vortag. Kabel TV habe ich auch schon gekündigt, habe ich sowieso fast nie fern gesehen, da ich keine Werbeunterbrechungen mag. Ich finde eure Anregungen toll!

  3. In einer Partnerschaft sind die Bedürfnisse ja teilweise sehr unterschiedlich. Trotzdem sollte keiner unglücklich in einer überfüllten Wohnung leben müssen – genauso, wie es für manchen sicher ein Unding wäre, in einer gefühlt leeren Wohnung zu leben. Aber ich freue mich für Mona, dass sie für sich eine leichte und befreite Lebensweise entdeckt hat. Mal sehen, wie wenige Kartons es am Ende noch sind 😉

  4. Schöner Bericht 🙂
    ich wünsche dir weiter erfogreiches gehen lassen 👍
    Einen Tipp bezüglich Kleider hätt ich noch. Einfach an eine Tür solche flachen Garderobenleisten hängen und du kannst die Kleider dort bequem aufhängen. Damit sie nicht einstauben, nen Sack oder so eine Kleiderschutzhülle drüber, fertig. So brauchste definitiv keine Schrank mit Stangen.
    Liebe Grüße!

    1. Solche Türleisten habe ich schon. Das wäre eine Möglichkeit. Ich hoffe, ich finde für alles eine Lösung, ich möchte viel Platz in meiner neuen Wohnung. Sie hat 37m² Wohnfläche und eine 9m² Loggia, darauf freue ich mich.

  5. Liebe Ines, da erinnerst du mich an etwas. Ich habe ja noch einen Campingrucksack und einen Schlafsack verstaut. Brauche ich eigentlich auch nicht mehr. Dein Satz, Dinge dürfen gehen, ist toll. Ich bin glücklich, dass ich loslassen kann, endlich! Ich verstehe mich selbst nicht, warum ich mich an Dinge gehängt habe, die für mich gar nicht brauchbar waren. Es hat wirklich Klick gemacht in meinem Kopf. Und die Reise hat endlich begonnen, in ein leichteres, beschwingtes Ziel, darauf freue ich mich.

  6. Danke liebe Gabi, fürs Veröffentlichen. Bin ganz stolz deswegen. Die Reihen meiner Besitztümer lichten sich und ich genieße die Leere des Raumes. Nur in den Laden und Kästen muss ich nochmal drüber sehen, ich mache die Runde schon das 3. Mal. Beim 2. Versuch konnten Dinge gehen, die beim 1. Mal noch bleiben sollten. Immer wieder eröffnen sich neue Überlegungen. Gestern hatte ich ein doofes Erlebnis mit einer Interessentin für einen Beistelltisch. Ich habe ihn zu verschenken versucht und es passiert immer wieder, dass Leute sagen, sie kommen und ich warte umsonst. Da habe ich ihn kurzerhand in die Hauseinfahrt gestellt und die Anzeige gelöscht. Innerhalb einer Stunde war er weg. Das war nervensparender als die Announcen. Das geht aber nur in der Großstadt gut. Es ist so ein befreiendes Gefühl, Dinge loszuwerden, ich habe damit noch länger zu tun.

    1. Dir danke dafür, dass du deine Erfahrungen mit uns teilst. Das ist sehr inspirierend und motivierend. Dass es immer mehrere Durchgänge braucht, ist ganz normal.
      Diese Anzeigen sind wirklich immer so eine Sache. Wenn ich was verschenke, gibt es immer 2 Kriterien nach denen ich vorgehen: Wer schreibt einen vollständigen Satz? („Noch da“ ist mir zu wenig. Wenn es nicht mehr da wäre, hätte ich ja die Anzeige auch gelöscht) und wer kommt ggf. auch sofort vorbei (Übermorgen, irgendwann, mal sehen, etc. sind oft so Aussagen, dass Leute gar nicht kommen). Rausstellen geht natürlich sehr einfach.

  7. Danke Mona für deinen sehr motivierenden Bericht! Bitte mehr davon.
    Seit einigen Jahren lese ich bei Gabi und habe es mittlerweile geschafft, immer mal etwas auszusortieren, denke beim Kaufen vorher immer gründlich nach!
    Ich weiß, ich kann und werde im Laufe der Zeit immer noch zu tun haben …

    1. Liebe SuMu, ich wünschte, ich hätte von diesem Lebensstil schon früher erfahren. Wenn kein Umzug ansteht, kann man sich auch damit Zeit lassen, meine Gedanken sind immer, was will ich mitnehmen und hätte es in einer neuen Wohnung noch Platz. Bis jetzt vermisse ich gar nichts, darüber bin ich froh. Ich konnte sogar gemütlich durch den Möbel Elch spazieren ohne dass ich in einem Kaufrausch verfallen bin. Mitgenommen habe ich nur einen Keramikfilter, zum aufsetzen für eine Tasse Kaffee, ich war stolz auf mich.

      1. Wenn man durch solche Läden läuft und denkt: „Och nee, brauche ich nicht.“ – Das ist so herrlich! Manchmal denke ich auch „Bloß weg hier.“ Der viele Krempel ist oft so unerträglich.

        1. Das stimmt. Diese Dekos und das Gerümpel, dass da angeboten wird, ist viel zu viel fürs Auge. Was mich auch stört ist das Angebot in den verschiedenen Restaurants. Ich wollte mir was zu essen mitnehmen (ich sitze ungern alleine in einem Lokal, zu laut und trinken möchte ich auch nichts, hab immer meine Wasserflasche dabei), aber diese vielen Zutaten und Schnörkel auf einem Gericht, das verwirrt mich. Ich mag kein Essen mit 20 Zutaten, die ich gar nicht kenne. 5 reichen mir völlig. Aber das wäre ein eigenes Thema, Minimalismus beim essen gehen 🙂

  8. Gute Reise! Ich habe heute jemanden mit seit 2009 ungenutzten Schlafsack glücklich gemacht, eine Segelhose verschenkt und eine samt Jacke entsorgt. Dinge dürfen gehen …

    1. Liebe Mona, liebe Gabi, liebe alle,
      Vielen Dank – dieser Artikel und die Kommentare haben mich sehr motiviert. Ich habe definitiv weniger Dinge als andere Menschen, würde mich aber nicht als Minimalistin bezeichnen. Ich wohne auch in Wien und werde im August in eine halb so große Wohnung umziehen (2 Zimmer). Da muss viel gehen. Was du, Mona, gesagt hast, kann ich voll bestätigen: die gleiche Kategorie nicht nur einmal, sondern mehrmals ausmisten. Bei jedem Mal darf wieder was gehen, was man zuvor noch nicht loslassen konnte. Ist echt ein super Tipp. Wenn auch nicht die schnellste Ausmistmerhode, aber ich find‘s super!
      Ich freue mich schon auf die neue kleinere Wohnung (weniger zu putzen 🙂 ) in einem neuen Bezirk. Gabi, deine Roomtour fand ich auch sehr inspirierend. Es freut mich, dass du dich dort so wohl fühlst. Sie lässt mich Dinge hinterfragen. Z.B. brauche ich eine 15.000 EUR Einbauküche, wenn ich nur 2-3x pro Woche koche, oder geht‘s auch anders? Brauche ich ein perfektes Sofa oder benutze ich einfach weiterhin mein nettes Daybed? Bin schon gespannt! Bevor die Umzugsfirma Mitte August kommt, wird sicher nochmals ausgemistet. Oder mehrere Male 🙂
      Alles Liebe an euch und danke nochmals für die Inspiration!

      1. Oh, wie spannend – noch ein befreiender Umzug aus Wien. Da wünsche ich dir weiter gute Vorbereitungen. Es ist wirklich super angenehm, nicht so endlos viele Kisten packen zu müssen. Weniger Putz- und Aufräumorgien sind für mich der beste Vorteil am minimalistischen Lebensstil

        1. Vielen Dank für die guten Wünsche und die Inspiration! Weniger Zeug = weniger aufräumen, das motiviert mich weiter zu minimalisieren (v.a. da mir Ordnung halten etwas schwer fällt; die Unordnung wächst so graduell, bis ich es nicht mehr aushalte, am Wochenende dann die Aufräumorgie, und danach geht’s wieder von vorne los 🤣). Das wird sicher besser mit weniger Zeug.
          Ich wünsche dir weiterhin ein gutes Einleben in der schönen neuen Wohnung.

      2. Liebe Margarethe, hallo in Wien. Toll, dass du auch umziehst. Bitte schreibe dann unbedingt über deine Erfahrung mit dem Umzugsunternehmen, das interessiert mich sehr. Es ist interessant, dass man den Blick für die Dinge verloren hat. Ich stehe jetzt vor einem Regalfach, sehe was drinnen steht und überlege, warum ist es da und kann es weg? Monatelang fiel mir der Gegenstand nicht auf, warum steht das da, nur weil Platz ist? Mein Möbelanspruch schrumpft gewaltig. Ich habe jetzt einen langen TV Schrank gehen lassen und mir statt dessen einen Serviertisch besorgt, wo der Fernseher drauf steht. Sieht gut aus und ist sehr platzsparend und flexibel. Meinen Eßtisch habe ich zerlegt und erst mal weggeräumt. Ich bin nur selten dran gesessen und ob ich ihn nach dem Umzug benutze, weiß ich noch nicht. Vielleicht landet er dann in der Loggia und ich koche dann darauf mit meiner Kochplatte. Dann erspar ich mir eine Dunstabzughaube. Ich hoffe, dass du noch viel schreibst über deine Reise in den Minimalismus und in die neue Wohnung.
        Alles Liebe
        Mona

        1. Hallo Mona, ja, glaube mein Umzug wird stressig, aber ok – bin schon oft umgezogen. Bzgl. Möbel etc.: Man wird mit der Zeit ein bisschen blind seinem ganzen Zeug gegenüber. Super, dass dir das mit Regal, Esstisch und co aufgefallen ist. Ich habe seit 10 Jahren keinen Fernseher mehr, brauche also auch keinen Fernsehtisch; ich kann ja auch auf Handy und Laptop schauen, und so hab ich mehr Platz im Wohnzimmer. Finde ich sehr angenehm!
          Gutes Minimalisieren weiterhin! Liebe Grüße!

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