Minimalismus – 10 Fragen an… ist eine kleine Reihe, in der ich (in unregelmäßigen Abständen) Leser/-innen meines Blogs zu Wort kommen lasse, um die Vielfältigkeit des minimalischen Lebensstil deutlich werden zu lassen.
Heute: Chrissy
1. Wie ist deine jetzige Wohn- bzw. Lebenssituation?
Ich (34) wohne alleine in einer kleinen Dachgeschosswohnung mit 40qm in einer Großstadt. Statt einem Auto habe ich ein Lastenrad für Erledigungen und ein Rennrad für den Alltag. Ich verbringe die freie Zeit gerne in der Natur und arbeite Vollzeit. Ich besitze nur wenige Möbelstücke; ein Tisch und Küchenschränke sind in der Wohnung integriert. Ich besitze keine Waschmaschine und bringe die Wäsche jeden Samstag mit dem Lastenrad in den Waschsalon. Es gibt keinen Fernseher und keine Sofalandschaft. Freunde treffe ich lieber draußen im Park und demnach ist auch die Geschirrausstattung sehr klein.
2. Warum hast du mit dem Minimalisieren angefangen?
vor 10 Jahren habe ich durch eine körperliche Krise verschiedene Wege ausprobiert, um in mir aufzuräumen. Da bin ich dann darauf gestoßen, dass das Außen genauso wichtig ist, wie das Innen und beides unweigerlich zusammengehört. Ich sag immer gern „Frieden im Außen – Frieden im Inneren“. Und es stimmt. Ich habe dann nach und nach bis dahin geliebte Bücher, Krimskrams, Dokumente (Briefe, Fotos, etc), Klamotten usw. aussortiert. Der schwindende materielle Ballast half auch den inneren Ballast (zumindest in Teilen) loszulassen. Auch das Swedish-Death-Cleaning hat mich sehr angesprochen. „Mitnehmen“ können wir am Ende nichts, nur unsere Erinnerungen.
3. Was denken andere Menschen (Familie, Freunde, Nachbarn…) über dein Loslassen von Dingen?
Die sind meistens irritiert oder fasziniert. Da ich größtenteils möbelfrei lebe, stößt das doch recht häufig auf Irritation. Wie, du hast kein Sofa? Wo sitzt du dann? „auf dem Boden oder in der Hängematte“ und wo ist dein Bett, wo schläfst du?? „auf einer Kapokmatte, die ich morgens zusammenrollen“ ist das nicht zu hart?? Nö. da werden die Augen aufgerissen! sehr amüsant. Ich bin großer Fan vom Baremovement und dem Bodenlifestyle. Ich finde, jeder Mensch sollte sich mühelos bücken, strecken, hinhängen und hinhocken können. Und diese natürlichen Bewegungen versuche ich täglich in meinen Alltag einzubauen.
4. Am leichtesten ist mir gefallen…
materielles einfach loszulassen. Es sind nur Dinge. Vor allem die großen Dinge – also Möbel.
Wenn kein Stauraum da ist, fällt es leichter, das Zeug wegzugeben.
5. Am schwersten finde ich …
Dinge wegzugeben, ohne dafür nochmal Geld zu bekommen. Da merke ich öfter, wie ich es bedauere. Die Leute sind teilweise sehr frech auf den Verkaufsplattformen und wollen am liebsten alles geschenkt bekommen.
Auch würde ich gerne den lauten nervigen Kühlschrank weglassen. Einmal im Jahr versuche ich es aufs Neue, doch es klappt nicht gut. Die Dachwohnung heizt sich extrem auf, da müsste ich schon direkt was einkaufen und es sofort aufessen.
6. Auf keinen Fall würde ich noch mal…
in ein Haus ziehen und das komplett einrichten. Der pure Wahnsinn.
7. In jedem Fall würde ich noch mal…
…alles aufgeben und in einen Van ziehen. Das reizt mich schon von Anfang an. Wie wäre es, nur so viel zu besitzen, dass ich jederzeit sofort einsteigen könnte? Ohne mich noch um das Loswerden des Haushalts zu kümmern. Eine traumhafte Vorstellung.
8. Welches praktische Vorgehen hat sich bei dir bewährt?
Nicht lang nachdenken. Radikal dem ersten Impuls folgen und die Dinge verabschieden.
9. Welche Vorteile hat es für dich, weniger Dinge zu besitzen?
Ich fühl mich freier. ich kann mich auf das konzentrieren, was mir wichtig ist. Wenn ich mich in meiner Wohnung umsehe, sehe ich Dinge, die ich mag: mein Rennrad, meine Gitarre, ein paar Pflanzen, meine Chemex (Kaffeekännchen) und den Wasserkessel (statt Wasserkocher nutze ich einen Kessel + Induktionsplatte), eine Matte und ein Meditationskissen und einen Baum an der Wand. Ich weiß dass in einer Kiste meine Campingausrüstung auf den nächsten Ausflug wartet und auch das Kletterzeug wartet auf den nächsten Einsatz. Meine Kreativität hat hier Raum. Wenn die Räume und Flächen (weitestgehend) leer sind, kehrt schnell Ruhe in den Geist. Anders ist das bei einem völlig überladenen und vollgestellten zu Hause. Das wird mir z.B. bewusst, wenn ich mal bei Freunden oder der Familie zu besuch bin. Das ist richtige Reizüberflutung. Und alles ist in Überzahl vorhanden. Vom Fondue-Set, über Bettwäsche in 10facher Ausführung zu Kosmetikartikeln in zich Sorten.
10. Gibt es noch etwas, was du mitteilen möchtest?
Sich selbst und seinen Lebensstil hin und wieder zu hinterfragen kann große Veränderungen bringen.
Zum Weiterlesen:
- Minimalismus – 10 Fragen an: Sarah
- Minimalismus – 10 Fragen an: Fredericke
- Minimalismus – 10 Fragen an: Lisa
- Minimalismus – 10 Fragen an: Stefanie
- Minimalismus – 10 Fragen an: Julia
- Minimalismus – 10 Fragen an: Stefan
- Minimalismus – 10 Fragen an: Janina
- Minimalismus – 10 Fragen an: Christof
- Minimalismus – 10 Fragen an: Susanne
- Minimalismus – 10 Fragen an: Claudia
- Minimalismus – 10 Fragen an: Silke
- Minimalismus – 10 Fragen an: Kristin
- Minimalismus – 10 Fragen an: Aura
- Minimalismus – 10 Fragen an: Stephan
- Minimalismus – 10 Fragen an: Tanja
- Minimalismus – 10 Fragen an: Thorsten
(Hinweis: Die älteren Beiträge befinden sich auf meiner alten Webseite achtsamer Minimalismus.de. Dort gibt es nach einigen größeren Problemen leider keine Fotos mehr zu sehen. Die Texte sind aber alle erhalten.)
Finds richtig schön, dass die Reihe weitergeht!
Huhu Chrissy,
deine Wohnung erinnert mich sehr stark an meine alte Wohnung und die Einrichtungsweise 🙂 Mag das Luftige auch sehr und wenn man viel Platz hat trotz an sich „kleiner“ Wohnung. Dass „Swedisch Death Cleaning“ kannte ich als Begriff noch gar nicht, aber das dahinter steckende Prinzip wohl und denke, dass das auch im Allgemeinen sehr erleichternd sein kann, wenn man seinen Besitz entsprechend übersichtlich hält. Alles in allem ein sehr inspirierender Beitrag!
ich wohne jetzt sehr ähnlich wie Du (nur sind es bei mir 25 qm).
Die Sache mit dem Kühlschrank finde ich auch so nervig. Ich höre ihn beim Einschlafen und beim Aufwachen – dabei habe ich schon einen extra leisen genommen.
Wenn da jemand einen Tipp hat, sehr gern.
Du kannst eine Zeitschaltuhr verwenden. Er darf halt erst wieder angehen wenn du schläfst bzw. aufgestanden bist. Dem Kühlgut schadet das nicht.
Oh ja, das ist besonders in einer 1-Raumwohnung sehr lästig mit dem Kühlschrank. Ich nutz Ohropax bzw wiederverwendbare Silikonstöpsel.
Ich finde deine Ansichten sehr interessant und würde mich gerne mehr belesen zum Thema Bodenlifestyle und Baremovement. Kannst du entsprechende Quellen empfehlen?
Hi Jana, da schaust du am besten Mal bei Ben Grümer vorbei (von der Barefoot Academy).
Da muss ich an den Spruch denken „das letzte Hemd hat keine Taschen“. Im Gegenteil, für diejenigen, die sich um den Nachlass kümmern müssen ist das ja oft eine zusätzliche Belastung. Gerade bei Sammelleidenschaften fliegt am Ende alles auf den Müll, weil es keiner haben will. Im Zusammenwohnen mit einem Partner muss man aber auch einen gemeinsamen Nenner finden – nicht jeder ist gleich genügsam (oder beweglich 😉). Auf manches könnte ich gut verzichten, anderes würde meinem Mann nicht fehlen. Immerhin teilen wir die Liebe zu luftigen Räumen und bekommen bei vollgestellten Wohnungen synchron Fluchtreflexe.
Liebe Grüße!
Man kann es wirklich häufiger beobachten, wie schnell die Sammelleidenschaften am Ende eines Lebens im Sperrmüll-Container landen und wie schnell das geht. Für die Verwandten ist es ein extrem belastender Prozess. Erledigt das ein Unternehmen, gehts auch um Zeit. Je länger, desto teuerer, man kann nicht monatelang ein Haus leerstehen lassen oder ewig Miete weiter bezahlen. Und ruckzuck mutiert der ehemals persönlich bedeutsame Besitz einfach nur zum Krempel. Und meistens, weil es einfach viel zu viel ist, als das man sich um jedes einzelne Teil kümmern kann.
Ja, nicht nur für die Verwandten ist das ein unangenehmer Prozess, auch für die Umwelt. Denn das ganze Zeug wird eher verschrottet, als weiterverwertet. Dazu kann ich eine Buchempfehlung abgeben: „Frau Magnussons Kunst, die letzten Dinge des Lebens zu ordnen“ für tiefere Lektüre zum Swedish Death Cleaning – Es regt zum Hinterfragen an und der Minimalismus bekommt nochmal eine ganz andere nachhaltigere Bedeutung (im Bezug auf das „Danach“).
Guten Montag,
„Die Leute sind teilweise sehr frech auf den Verkaufsplattformen…“ – stimme leider zu.
„…in ein Haus ziehen und das komplett einrichten..“ – klingt spannend. Darüber hätte ich gern mehr gewusst. ;.)
bin [immer noch?] keine Minimalistin; Sofa brauchen wir schon allein wegen der Großmutter. Dinge wegzugeben fällt mir dahingehend schwer, als dass alle alles haben. Kleiderkammern und Stöberhaus platzen aus allen Nähten…
Letztlich geht es aber nicht um Dinge als solches; was gebraucht wird, soll man haben. Wichtiger die Fragen: Brauch ich das? Was will ich vom Leben (Ich grübel immer noch…) Verantwortung, auch für zukünftige Generationen usw.
Das Nachdenken fing mit Aussortieren an – letztlich geht es um so viel mehr.
Hallo Andrea, was möchtest du denn noch wissen? 🙂 Niemand muss sich von etwas trennen, wenn es sich nicht richtig anfühlt. Das Konzept des Minimalismus ist nur eine von vielen Facetten. Und so individuell, wie jeder Mensch ist, ist auch jede Facette. LG
Guten Nachmittag,
das mit dem Haus hätte mich interessiert. Ansonsten ist mein Hausrat zwar nicht wenig, aber übersichtlich/ okay. Wenn jemand etwas bräuchte, könnte ich gern etwas abgeben. Es fällt mir nur schwer, es einfach so irgendwo hin zu bringen wenn ich nicht weiß, ob es jemand braucht.
Und Deko, ist wirklich nicht mein Problem: ein paar Pflanzen, ein paar Bilder, nicht zu viel. Ebenfalls Liebe Grüße!
Wie meinst du das mit dem Haus? Versteh die Frage nicht 🙂 kannst du sie anders stellen? Dinge nur zu behalten, weil man nicht weiß, ob es irgendwo ein zweites Leben haben wird, ist möglicherweise eine Falle.
Mir ist eben eine Definition von Minimalismus eingefallen, die ich passend finde und wo bei genauer Betrachtung viel drin steckt:
Minimalismus = den Dingen ihre Bedeutung zurück geben.
Tja, bei „Deko“ ist die Bedeutung meist „Konsummüll“.
Ich habe es ja auch nicht so mit Deko, brauche das üblicherweise nicht. Aber ich finde, es gibt schon Leute, denen bestimmte Dekosachen etwas besonderes bedeuten. Es ist vielleicht auch eine Frage der Menge. Früher gab es mal Setzkästen (neben anderem Dekozeugs). Heute ist manchmal die ganze Wohnung eine Art Setzkasten. Dann hat es wirklich was von nett arrangiertem Müll für mich.
Jegliches Sammeln repräsentiert letztlich das Kompensieren eines nicht erreichbaren Endzustands. Um was bewahren oder zu bewirken ? Historische Gegenstände in Museen, für alle zugänglich, sind ein sinnvolles Beispiel. Aber privat ? Was soll da kompensiert oder festgehalten werden ?
Schöne Definition. Aber vielleicht sind Dinge auch einfach nur Dinge? Wir assoziieren mit den Dingen etwas und schon haben sie eine Seele und das Loslassen fällt schwer.
Von Bedeutung können ja auch praktische Dinge sein, die aber keine emotionale Bedeutung haben. Mal etwas ins Extrem formuliert: Eine WC-Bürste, ein gewöhnliches Schälmesser etc. kann durchaus von Bedeutung und wichtig sein, aber eine Seele haben solche Dinge für mich nicht.
Bei den emotional aufgeladenen Dingen ist für mich eher die Frage, warum ich so dran hänge, was genau sie mir bedeuten und ggf. warum es so eine Menge für mich sein muss. Ich habe z.B. irgendwann mal ein digitales Fotoalbum zusammen gestellt und ausbelichten lassen. Ich schaue maximal 1 x im Jahr rein, aber es hat für mich immer noch eine Bedeutung (was mich manchmal durchaus wundert, aber egal. Mir gefällt es). Ich brauche aber keine 10 oder 20 Alben, ich muss mir nicht die Wände mit Bildern vollpflastern.
Die Wände nicht. 🙂 Aber ich frage mich, warum ich gefühlt jeden Tag im Leben meines (damaligen) Kleinkindes geknipst zu haben schein. Vor ein paar Jahren mit Sohn – da war er im Teenie-Alter – aussortiert. Sein Kommentar zum Schluss; Er hätte jetzt genug Kleinkindbilder von sich gesehen. Und es sind immer noch welche da. Letztlich würden ne Handvoll davon völlig genügen. (Kommt also noch was weg)
Und heutzutage kommen durch die tollen Geräte ja noch Unmengen von vorgeburtlichen Bildern dazu. Wahnsinn…
Das verstehe ich sehr gut. Vielleicht ist da die unbewusste Sorge, dass manche Erinnerungen irgendwann nicht mehr greifbar sind und dann ist so eine Fotobuch-Erinnerungshilfe schon schön! Manche Momente vergisst man einfach und sieht man dann ein Bild ist sofort alles wieder da. Das kann schön sehr erfüllend sein.
Liebe Gabi,
eine richtig tolle Definition!
Danke!
LG Karin
Es scheint ja tatsächlich inzwischen üblicher geworden zu sein, sich bei Wohnungswechsel gleich komplett neu einzurichten. Neues Sofa, neues Bett etc.. Das ist ja auch durchaus verführerisch. Würde ich meine Möbel hier lassen, könnte ich mit ein paar Taschen und Kisten im Taxi umziehen. Umzugsunternehmen war aber deutlich günstiger, als alle Möbel neu zu kaufen. Außerdem muss ich so nicht wieder irgendwas aussuchen. Minimalismus ist zudem ein wirklich sehr individueller Prozess.
Allein die Vorstellung, alles komplett von 0 an neu einzurichten und auszusuchen bereitet mir Unbehagen! Für manche ist das ja DIE Erfüllung. Jeden Raum bis ins Detail zu planen und einzurichten. Ich find das irgendwo auch faszinierend, dass da so eine Leidenschaft draus entstehen kann – aber es wär nicht mein Weg.
Ich fänd die Idee auch gut, statt mit Taxi mit einem Lastenrad umziehen zu können 🙂 absolut unabhängig. Kennt jemand das Buch/Projekt „Workpacking“? Da geht es um einen Mensch, der ein Jahr als digitaler Lastenradnomade lebt. Nur von dem, was sein Rad tragen kann. Spannend!!
Hallo Chrissy, Umzug mit dem Lastenrad, da hab ich was: https://www.ardmediathek.de/video/wir-im-saarland-saar-nur/aber-bitte-mit-fahrrad-umzug-mit-einem-lastenrad/sr/Y3JpZDovL3NyLW9ubGluZS5kZS9XSU1TXzE0NTAxMy9zZWN0aW9uLzE
Oh wow, Wahnsinn. Echt beeindruckend. Bei mir wird es dann aber trotzdem ein Transporter (immerhin kein normaler Umzugs-LKW).