Die wichtigste Frage im Minimalismus

Wenn ich das richtig mitbekomme, scheint es rund um das Thema Minimalismus auf Social Media ein wenig ruhiger geworden zu sein. Trends und Hypes kommen und gehen. Das ist natürlich beim Minimalismus als Lebensstil nicht anders. Trotzdem gibt es natürlich Menschen, die sich immer noch dafür interessieren, mit weniger Dingen besser zu leben. Aber manchmal läuft es irgendwie nicht so richtig. Der Kram wird nicht weniger, gerade was entrümpelt, taucht neues Zeugs auf. Was kann man da tun?

Meine Sichtweise darauf ist eigentlich recht banal. Man muss sich nicht endlos viele Minimalismus-Videos anschauen oder zig Bücher zum Thema kaufen. Es braucht auch nicht unbedingt nur diese oder jene Technik oder Strategie dazu. Das sind lediglich Hilfsmittel, aber eben keine Wunderwerkzeuge. Entscheidender ist viel mehr die, wie ich finde, wichtigste Frage im Minimalismus überhaupt:

WARUM interessiert mich der Minimalismus?

Und eng damit verbunden: Gibt es etwas, was mich an meiner jetzigen Situation stört? Kein Platz mehr? Zuviel aufzuräumen und zu putzen? Unzufriedenheit – wenn ja, über was überhaupt? Wie hätte ich es denn gerne? Und wie könnte dann ein erster Schritt dazu aussehen?

Ich finde, dies sind Fragen, die jede/r erstmal für sich beantworten muss. Einem Trend nachzujagen, nur weil das so schick und stylisch ist, reicht so lange als Motivation, wie der Trend andauert. Also nicht sehr lange. Da fragt sich, ob sich der Aufwand überhaupt lohnt. Irgendwann rümpelt man sich da eh wieder zu. Irgendwer hat versucht, nun den Gegentrend Maximalismus anzustoßen. Dabei leben wir doch eh schon im Maximalismus. Wer hätte beispielsweise vor 30 oder 40 Jahren gedacht, dass wir Telefone außerhalb der Wohnung mit uns herum tragen und diese dann auch noch alle 2 Jahre erneuern? Das wäre eine völlig verrückte Idee gewesen.
Minimalismus als Designstil kann natürlich auch sehr schick sein, aber auch wenig persönlich und zudem in der Regel sehr teuer. Und wenn ich Pech habe, sitze ich am Ende in einer schicken Wohnung und fühle mich unwohl.

Minimalismus für mich –  warum?

Für mich war, wie des öfteren geschrieben, die zunehmende Arbeitsverdichtung und der immer wieder hohe Stresspegel ein wichtiger Grund, warum ich mich für Minimalismus interessiert habe. Weniger Kram = weniger Ausgaben = weniger Arbeitszeit. Das war die zusammengefasste kurze Definition.

Inzwischen bin ich Rentnerin, da ist Arbeitsverdichtung für mich selbst natürlich kein Thema mehr. Aber durch LongCovid ist der möglichst gute und effiziente Umgang mit meiner körperlichen Energien in den Fokus gerückt. Diese Energien will ich nicht damit verschwenden, hinter meinem Zeug her zu räumen und neuen Klimbim zu kaufen.

Dann ist mir die sog. Ruhe fürs Auge wichtig. Das geht eher in den Bereich HSP (=hochsensible Personen), Reize werden intensiv wahrgenommen, daher braucht es Zonen der Ruhe.

Älterwerden ließe sich auch noch anführen. Minimalismus ist prima, um auch dort entspannter zu sein. Wo kein Zeugs ist, kann ich im hohen Alter nicht drüber fallen. Sich an schöne Erlebnisse zu erinnern, ein paar liebenswerte Erinnerungsstücke zu haben, ist wunderbar. Aber oft ist es einfach zu viel. Dinge zu horten, obwohl sie nicht mehr benötigt werden, kann auch schnell an einem Festhalten an der Vergangenheit werden. Dann sind aber weder Hände noch der Kopf frei für Neues. Ich lebe nunmal JETZT. Und es geht darum, wie es jetzt, hier, heute und auch künftig gut gehen kann.

Und sind wir ehrlich: Das meiste Zeugs, was Verstorbene hinterlassen, landet letztlich auf dem Müll. Auch wenn die Dinge noch gut sind, will sie meistens niemand haben, denn wir haben eh meistens schon alles und zu viel. Zudem ist es für Verwandte und/oder Freunde eine erhebliche emotionale Belastung, solche überfüllten Haushalte aufzulösen. So etwas will ich auch nicht.

Aber letztlich: Minimalismus warum? Die Antwort darauf ist genau genommen auch sehr banal: Weil ich so bin und es zu mir am besten passt. Es ist der Lebensstil, mit dem ich mich am wohlsten fühle.

Und da ich immer neugierig bin: Gibt es für euch einen bestimmten Grund, warum ich euch für Minimalismus interessiert?

 

 

 

 

29 thoughts on “Die wichtigste Frage im Minimalismus

  1. Gerade ein spannendes Buch zu Ende gelesen DER RUF DER STILLE.

    Darin heißt es auf Seite 213: Alles bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit, es gibt keine Pausen. Es ist zu laut, zu bunt, zu roh. Es mangelt an Ästhetik. Es gibt zu viel Albernheit, zu viel triviales Zeug. Die Ansprüche und Erwartungen der Leute bewegen sich auf niedrigstem Niveau.

    Ich denke, das ist durchaus eine Erklärung für unsere Beschäftigung mit diesem Thema. Schönen Sonntag noch! Nachher geht es ab in den Garten!

    1. „Fußball, Weiber, Alkohol, Autos, Alkohol/Zigaretten, BLÖD-Zeitung“.
      Das fasst meine Erfahrung in manchen Berufszweigen zusammen. Ich musste es zum Teil lange ertragen.
      Ich habe echt gelitten, glaubt’s mir. So viel konnte ich gar nicht trinken, um besoffen dieses Niveau auf Dauer zu ertragen. Ich dachte lange, etwas stimme nicht mit mir.

  2. Hallo Gabi,

    die Frage der Motivation ist – wie bei allem, was wir tun – natürlich auch bei Minimalismus essentiell. Bei mir entstand es aus einem praktischen Anlass heraus: Viele Umzüge. Bei meinem ersten Umzug auf Zeit nach München beschloss ich schließlich, bewusst nur das mitzunehmen, was ich auch tatsächlich brauchen und nutzen würde. Das hat gut funktioniert und sich bewährt, auch wenn es immer mal wieder Phasen der Anreicherung und Phasen der Erleichterung gibt – ganz nach Lebenslage, Bedürfnissen und Wohlempfinden.

    Lieber Gruß
    Philipp

  3. Was Minimalismus für mich ist. Ganz klar weniger Dinge um die man sich kümmern muss. Weniger Ballast und Ganz wichtig Luft zum atmen. ( es ist zwar etwas schwierig da alles so umzusetzen wie ich es will, da mein Partner bei allem denkt das braucht er nochmal, oder das liest er nochmal oder er ist auf dem Tripp, wenn es mal krieg gibt, gibt’s nix mehr zu kaufen. Diese Diskussion hatten wir erst letztens, als ich bei überflüssige Bettdecken aussortierten wollte. Kam ein Satz das brauch man nochmal.
    Diese haben wir seit Jahren nicht benutzt…
    Aber was meine persönlichen sachen angeht, habe in den letzten Jahren sehr viel ausgemistet und finde immer noch Sachen die ich doch nicht mehr brauche.

    1. So ähnlich argumentiert(e) meine Mutter. Meine Antwort: Jein. Wenn zum Bsp. die Hütte abbrennt, ist es egal wieviel Decken Du gesammelt hast. Und wenn es Katastrophen im großen Stil gibt – Ahrtal – hilft es leider nicht, wenn jeder aus seinem Haushalt Überflüssiges spendet. Zwar bracht man dann z. B. Decken – doch ist es eine logistische Überforderung wenn jeder da „seinen Kram“ anbringt. War nach der Flut im Ahrtal im tv gut zu sehen.
      Dennoch kann ich deinen Partner ein bisschen verstehen: Es ist etwas anderes, nix mehr anzuschaffen als gute brauchbare Dinge weg zu geben. Auch habe ich mind. schon 2 x Bücher nachgekauft. Manches liest man tatsächlich mehrmals…

  4. Warum Minimalismus, oder in meinem Fall, warum ein maßvoller, bescheidener Hausstand? Meine Kindheit war, was den materiellen Besitz betraf, bescheiden. Was Lebensfreude, Unternehmungen, Kultur und Freiheit anging, war sie reich und großartig. Geschenke gab es zu Weihnachten und zum Geburtstag, etwa die Hälfte davon war Kleidung. Ging etwas kaputt, wurde ich im Reparieren unterwiesen. Verlor ich etwas, gab es erstmal nichts Neues. Einmal verlor ich im Herbst meine Mütze. Erst einige Wochen später gab es zum Nikolaus eine neue. Da lernt man auf seine Sachen aufzupassen. Dieses Verantwortungsgefühl kann ich nicht einfach ablegen und will es auch gar nicht. Aber ich kann und will nicht auf Haufen von Dingen aufpassen. Das würde mich überfordern. Ich hätte dann das Gefühl angebunden zu sein, und mich nicht mehr frei bewegen zu können.

    1. Ich nehme mal Kleinvioletta in den Arm. Sowas geht gar nicht. Wir dürfen Fehler machen unser Leben lang. Und dürfen nicht dafür bestraft werden. Ich wünsche dir manchmal mehr Leichtigkeit beim Ausmisten. Beim Lesen. Es darf leicht sein. Jetzt weiß ich, woher die Glaubensätze kommen. Auch die dürfen wir ausmisten. Wahrscheinlich das Schwierigste beim Ausmisten.

  5. Minimalismus ist bei mir eine Strategie, um mit dem Chaos in meinem Kopf klar zu kommen. Diese Strategie habe ich mir im Laufe des frühen Erwachsenenlebens angeeignet, als es das Wort „Minimalismus“ vielleicht noch gar nicht gab. Äußerlich!
    Ich hatte das Thema „Ordnung“ gerade mit einer langjährigen Freundin, die mich früher immer bewundert hat. Bei mir war/ist Ordnung und Struktur. (Äußerlich! 😀)
    Bei uns ist es immer aufgeräumt, ohne dass aufgeräumt werden muss. Jedes Ding hat (s)einen Platz. Ich brauche nichts stapeln oder nach Saison ordnen oder gar auslagern. Ich kann zugreifen und habe, was ich brauche.
    Warum das Ganze? Ich habe genug Chaos im Kopf. Ohne Struktur gehe ich unter. 😮
    Ganz nebenbei spart es natürlich Geld, Zeit und Mühe.

    1. Ich finde, das ist eine sehr praktische Methode, die ja auch eine gewisse Ruhe ins Leben bringt und unnötigen Stress vermeidet. Ich muss immer bei Schubladen aufpassen, da ich einen Hang zu „Tetris“ habe – ach, da ist ja noch 1cm² Platz.

  6. Ich bin immer wieder ensetzt, wenn ich sehe, was bei einer Haushaltsauflösung so am Straßenrand steht, damit es der Sperrmüll abholt. Manchmal kann ich gar nicht glauben, dass das alles in einer Wohnung war. So viel Zeug will ich nicht haben.
    Ich bin echt froh, mich weniger mit dem Haushaltskram beschäftigen zu müssen und mag es, wenn es ohne großen Aufwand, ordentlich und übersichtlich aussieht. Es ist viel mehr Zeit für schöne Dinge wie Lesen oder Spazierengehen, wenn die To-do-Liste kürzer ist.

    1. Ja, immer wieder fast erschreckend. Wobei das ist auch interessant bei Umzügen – was da alles in die Wohnung geschleppt wird – wo ich mich frage, wo die das überhaupt alles unterbringen.

  7. Ich sehe das wie du, zu Hause brauche ich Ruhe und ich kann mir wirklich Schöneres vorstellen, als Unmengen an Krempel hin und her zu räumen und abzustauben. Als meine Eltern ausgewandert sind, haben sie mir eine Menge Kram aufgedrückt. Das war für mich immer eine Last, während sie dafür Dankbarkeit erwartet haben. Und als ich es geschafft hatte, mich von all dem Zeug zu befreien, wollte ich erst recht keinen neuen Krempel. Mit der Zeit hat sich auch eine große Unlust aufs Einkaufen bei mir breit gemacht. Das führt allerdings dazu, dass der Kleiderschrankinhalt langsam weniger wird und ich einige Sachen wirklich mal ersetzen sollte. Aber eilig habe ich es damit nicht…
    Liebe Grüße!

    1. Oha, das ist ja eine Hausnummer – den ganzen Kram der Eltern übernehmen. Wirklich super gut nachvollziehbar, dass du dich nach dem Befreiungsakt nicht so ohne weiteres wieder zurümpeln willst.

  8. Ich möchte nach der Arbeit Zeit mit meiner Familie draußen verbringen. Im Garten, in der Natur, gemeinsam mit anderen. Und nicht noch stundenlang putzen und Gerödel laufen oder wegräumen. Außerdem ist das Gefühl, mich abends einfach mit einem Buch in unsere Sitzecke (Sofa ist abgeschafft) setzen zu können, statt aufzuräumen, unschlagbar.

  9. Bei mir geht es eindeutig in den Bereich HSP . Ich halte ein zuviel an allem Möglichen ganz schlecht aus. In allen Lebensbereichen brauche ich Ruhe und Übersichtlichkeit, sonst werde ich kribbelig und unzufrieden. Alles Überladene ist mir ein Graus und Unordnung ebenso. Oft habe ich in fremden Wohnungen oder auch in Läden oder Ämtern immer wieder Gedanken das man erstmal die Hälfte an Einrichtung entfernen könnte. Auch die angeblich von den meisten Menschen gewünschten Ankleidezimmer finde ich ganz schrecklich. Nicht falsch verstehen, jedem das seine. Aber ich könnte nicht so leben. Ich meine auch , das ich schon immer diese Tendenz zum “ Weniger“ hatte und das ist definitiv nicht anerzogen bei mir, meine Eltern und mein Umfeld sind eher „Jäger und Sammler“ .

    1. Mit Ankleidezimmern gehts mir genau so. Die sind mir optisch zu überladen. Die offene Kleiderstange im Zimmer ist ebf. nicht mein Ding. Ich will das Zeugs nicht ständig sehen.
      Mir geht es so, dass je mehr Dinge jemand hat, desto weniger registriere ich sie. Das ist wie im Geschäft mit den 100 Marmeladen im Regal. Da finde ich nix. Zu voll.

  10. Irgendwann dachte ich auf dem Weg zum Wochendeinkauf: „Ich will nicht mehr DIE sein, DIE Vorräte einkäuft, Kuchen backt, Wände bunt anmalt (weiß sieht besser aus), wandert, mit dem Hund raus muss, Kind 14 Stunden lang bespaßt. Ich setzte mich in den Park. Ich will einfach nur da sitzen.

  11. „Weniger Kram = weniger Ausgaben = weniger Arbeitszeit“ ist genau meine Intention. Ich ergänze: weniger Putzzeit.

    @Erben
    Beim Auflösen des Hausstandes meiner Mutter 2003 war ich froh, dass ihr Partner viel übernommen hat. Es sind einige Sachen bei mir gelandet, von denen ich mich erst in den kommenden Jahren schrittweise trennen konnte. Geblieben sind Silberbesteckteile, die ich zum Auffüllen mit Freude verwende. Und ein sehr schönes versilbertes Tablett.

    Der Hausstand meiner Schwiegermutter wurde in diesem Jahr aufgelöst, als sie mit 99 Jahren ins Pflegeheim kam. 50 ähnliche Steppjacken und 30 Hosen braucht kein Mensch … Bevor ich den Entrümpler beauftragt habe nach der Besprechung zur Vorabnahme mit dem Vermieter habe ich genau sechs Dinge mitgenommen: sechs kleine Glasfläschchen, die in ein Metallkörbchen passen, in denen einzelne Blumen arrangiert werden können. Wir haben den gleichen Korb – ihrer war nicht mehr schön. So kann ich den Blumen frische Fläschchen und Wasser geben, wenn ich das Körbchen benutze und unsere Glassätze während dessen in den Geschirrspüler tun. Das ist das materielle Erbe aus diesem Haushalt. Zwei Sofas und eine Garderobe hat der Entrümpler in seinem Flohmarkt genommen, der komplette Rest wurde entsorgt.

    Mir ist wichtig, dass die Erben keine Peinlichkeiten finden.

    1. Weniger Putzzeit – ja, super Ergänzung.
      Du hast bei den Haushaltsauflösungen sehr bewusst ausgewählt. Was ja nicht so einfach ist. Je näher man Menschen steht bzw. einem Verstorbenen gestanden hat, desto eher laden sich die Dinge sozusagen emotional auf.
      Über Peinlichkeiten, die Erben finden können, machen sich vermutlich nur sehr wenige Leute Gedanken.

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