Digitale Gedankenlosigkeiten und Abwege

Ich habe mich im Laufe der Zeit schon an viele wirren Dinge in der digitalen Welt gewöhnt, aber manches macht mich wirklich fassungslos. Insbesondere die Sorglosigkeit und Gedankenlosigkeit ist für mich kaum noch zu begreifen.

Standortdaten teilen

Ich bekam kürzlich mit, dass es jetzt bei vielen Menschen normal geworden ist, über das Smartphone dauerhaft seinen Standort mit anderen Menschen zu teilen. Damit man sich im Zweifelsfall besser findet und wer das nicht mit macht, ist dann wohl kein Freund.

Von so etwas bekomme ich ehrlich gesagt fast Schnappatmung. Mit so einem Smartphone kann man doch im Bedarfsfall ganz gewöhnlich telefonieren. So etwa: „Hallo, ich bin jetzt gerade ….“ Man könnte es sogar als Chatnachricht schicken: „Der Zug fällt aus, ich hänge gerade in xx fest“ – oder sowas ähnliches. Für den eigenen Standort interessieren sich nämlich nicht nur einige ausgewählte Menschen, sondern solche Daten sind sehr begehrt bei Firmen und wer weiß von wem noch… Ich erinnere hier nochmal an die Databroker Files Recherchen von Netzpolitik.org und Bayrischem Rundfunk. Hier nachzulesen: https://www.heise.de/news/Handel-mit-Standortdaten-als-Sicherheitsrisiko-9802179.html
Die Standortfunktion ist in meinem Handy grundsätzlich immer aus. Nur in Ausnahmefällen aktiviere ich sie, wenn ich z.B. tatsächlich mal irgendwo unterwegs keine Orientierung mehr haben sollte. Ich kann aber noch Karten lesen, so dass ich die Standortfunktion in aller Regel auch dort nicht brauche.

Kinder, Jugendliche und das Smartphone

Gleichermaßen erschreckend wie erhellend war für mich das Buch von Digitaltrainer Daniel Wolff: „Allein mit dem Handy – So schützen wir unsere Kinder“

Buchcover Daniel Wolff, Vorderseite

Ich bin zwar in Rente, aber das Thema Kinder/Jugendliche und Smartphone-Nutzung hat mich dann doch nochmal interessiert. Zu oft gab es damit im beruflichen Umfeld Probleme, Konflikte, Suchtverhalten, usw. Sehr häufig war dieses Thema für mich kaum zu greifen. Alles, was ich an Fortbildungen, Fachbeiträgen, Büchern gehört und gelesen hatte, war aber nur begrenzt hilfreich.

Ich konnte mir das Buch über die Fernleihe besorgen und in Ruhe durchlesen.
Jetzt verstehe ich nicht nur diese unglaublichen Smartphone- und Tablet-Dramen, sondern fand auch viele gute Tipps zum Thema Kinder und Smartphones. Endlich mal vernünftige Informationen zu diesem Thema!

Ein ganz wesentlicher Punkt, von dem wir Erwachsene oftmals nicht den Hauch einer Ahnung habe, ist insbesondere die nächtliche Nutzung der Smartphones durch Kinder. Irgendwann haben die meisten Kinder ihre Eltern überzeugt, dass sie ihr Handy mit ins Bett nehmen dürfen. Und sie hören eben nicht nur 5 Minuten Musik. Ton stumm schalten (es gibt ja Untertitel), das Licht runter dimmen, kein Elternteil bekomme dann den nächtlichen Medienkonsum mit. Und dann werden z.B. im Klassenchat „Mutproben“ herum geschickt, die sich mit „viel Blut und wenig Kleidung“ etwas vereinfachend umschreiben lassen. Youtube scheint auch speziell nachts besonders brutale Videos vorzuschlagen. Kinder erhalten zudem sehr viel mehr Werbung angezeigt. Auch bei Youtube Kids muss man jederzeit mit Werbung für brutale Videos rechnen. Tiktok macht dann auch noch süchtig. Da die Kinder Sorge haben, dass die Erwachsenen ihnen das Smartphone weg nehmen könnten, verheimlichen sie alles und sind mit ihren Ängsten und den traumatisierenden Videos alleine.  Was das mit der mentalen Gesundheit und der Konzentrationsfähigkeit der Kinder in der Schule macht, muss ich wohl nicht näher erläutern…

Smartphones gehören nicht ins Schlafzimmer, schon gar nicht bei Kindern. Ein Smartphone ist kein Teddybär. Auch wir Erwachsenen schlafen besser, wenn wir einen normalen Wecker nutzen, anstatt diese digitalen Geräte. Kinder lernen zudem überwiegend durch das, was wir Erwachsene ihnen vorleben. Und oft geben wir ehrlicherweise auch nicht das beste Vorbild ab. Wir sind nicht mit Smartphones, Tablets und Co. aufgewachsen – was eine Erklärung, aber keine Entschuldigung ist.

Wer sich mehr für dieses Thema interessiert: Hier gibts ausführliche Podcasts, von Daniel Wolff sehr lebendig und anschaulich erklärt
https://www.youtube.com/watch?v=A3N-PHf3iUU – Teil 1
https://www.youtube.com/watch?v=ofwS6YpujuA – Teil 2

Außerdem eine ausführliche Buchrezension hier:
https://netzpolitik.org/2025/400-schulen-besucht-was-kinder-im-netz-erleben-und-was-politik-daraus-lernen-kann/

Eine Argumentationshilfe für Elternabende, warum WhatsApp in Kita und Schule keine gute Wahl ist, hier:
https://www.kuketz-blog.de/argumentationshilfe-fuer-elternabende-warum-whatsapp-in-kita-und-schule-keine-gute-wahl-ist/

 

Nebenbei auch noch erwähnt:

Mich macht es zunehmend sauer, wie selbstverständlich einige Arztpraxen fragwürdige Terminportale wie Doctolib & Co. nutzen. Der Datenschutz dort ist mehr als dürftig. Ich scanne die Datenschutzbestimmungen, die ich mal so eben schnell unterschreiben soll, sehr genau drauf ab und streiche meine Einwilligung dazu durch. Auch die zunehmenden App-Angebote der Krankenkassen sehe ich kritisch. Wenn ich ein Gesundheitsproblem habe, gehe ich zum Arzt und frage nicht eine App nach einer Lösung.  Wegen des bislang immer noch nicht ausreichenden Datenschutzes habe ich auch die ePA abgelehnt. Vielen Menschen ist es egal, wenn sie immer gläserner werden, mir nicht.

 

 

31 thoughts on “Digitale Gedankenlosigkeiten und Abwege

  1. Hallo Gabi,

    die Sache mit Doctolib ist mir auch ein Dorn im Auge. Was ich da gerne mache: schauen, welche Termine frei sind bei Doctolib und dann in der Praxis anrufen und nach diesem Zeitfenster fragen. 😉

    Bei mobilen Telefonen sehe ich die Schwierigkeit weniger in dem Gerät, sondern in unserer Internet- bzw. Social Media kultur. Große Konzerne richten Algorithmen und Werbung gezielt auf Kinder und weigern sich, nachhaltig für Regulation zu sorgen. Warum darf Kindern überhaupt Werbung gezeigt werden? Warum sind selbst Bezahlmodelle noch mit Werbung versehen? Warum sind in App Käufe so verblüffend einfach (auch für Kinder)?

    Ärgerlich macht mich, dass Kritik an der Regulation der Konzerne oft mit Technikfeindlichkeit gleichgesetzt wird. Und wenn die EU versucht, dass zu regeln, gehen die Liberalen und Konservativen steil, dann kommt die alte Mär der freiwilligen Selbstregulation.

    Am Ende bezahlt die Jugend das Lehrgeld für die Gier der Digitalkonzerne. Ich finde die heutige Vernetzung großartig, ich profitiere sehr von den Vorteilen der modernen Technik. Aber ohne Moderation und Regulation überlassen wir das Feld Anderen.

    Letztlich müssen wir uns aber auch an die eigene Nase fassen: wir kleben auch ständig vor dem Bildschirm und viele nutzen diesen ganzen Social Media Firlefanz.

    1. Die Idee, wie du das mit Doctolib machst, ist natürlich genial!
      Ich sehe das Hauptproblem beim Smartphone tatsächlich auch bei Social Media. Zu viele verlieren sich darin. Es ist ja auch gezielt so gemacht, die Menschen abhängig zu machen. Mehr mehr Zeit dort verbracht wird, desto mehr Werbung kann eingespielt werden.

    2. Liebe Gabi! 🌞
      Ja, diese Apps gefallen mir auch nicht, sind aber hier (besonders bei Fachärzten) oft die einzige Möglichkeit an einen Termin zu kommen. Ans Telefon geht nämlich kaum noch jemand und mal eben persönlich in der Praxis wegen eines Termins aufzuschlagen ist mit einer gewissen Entfernung auch nicht immer möglich…
      Da hat man dann eben die Wahl zwischen Pest und Cholera.

      LG Karin

      1. Das ist natürlich wahr. Ich habe den Vorteil, dass die Entfernungen nicht so groß sind und ich als Rentnerin jetzt mehr Zeit habe. Notfalls könnte ich nicht zu verhindernde, aber nervige Apps auch noch auf mein altes Smartphone packen. Das habe ich extra behalten. Es liegt meistens nur in der Schublade und ich gehe nur über WLAN ins Internet damit.

        1. Das Traurige daran ist, dass es sich einfach eingeschlichen hat. Plötzlich sind diese Dinge da, es ist komfortabel und der große Protest bleibt aus. Mir gruselt es vor dem Tag, in dem man nur noch mit der entsprechenden App „Normalpreise“ im Supermarkt bekommt.

          Mich wurmt die Alternativlosigkeit.

          1. Ich denke, der große Protest bleibt aus, weil die meisten Leute beim Erstellen eines Accounts für die App, sich nicht die Mühe machen, mal reinzuschauen, was da unter Datenschutz steht und an wen die Daten so alle weitergegeben werden.

            Ich hatte mal zwischenzeitlich gedacht, ich nehme diese Angebote aus Einkaufs-Apps mit, aber als ich gesehen habe, an wen alles Daten fließen (da steht immer was von Facebook und Google, sowie endlos viele andere Anbieter) und dass man dies überwiegend nicht abstellen kann, habe ich es gelassen.

            Das ist im Vergleich so, als wenn bei Briefen nicht nur der Postbote reinschauen würde (was ja schon eine Unverschämtheit wäre), sondern der Inhalt gleich mal an alle möglichen Leute in der Welt verteilt würde. Wäre es wirklich so, wäre der Aufschrei groß. Bei Apps klickt man irgendwas an (oder macht sich nicht die Mühe, es zu deaktivieren) und akzeptiert alles. Man siehts ja nicht.

    1. Du kannst bei deiner Krankenversicherung gegen die ePa widersprechen. Einige Krankenkassen haben Widerspruchsformulare, aber vermutlich nicht alle. Im Bedarfsfall kannst du dort einfach nachfragen. Man kann auch nur Teilen der epa widersprechen oder der epa insgesamt.

    1. Ich habe es mir gestern noch live angeschaut. Inhaltlich besser als ich es erwartet habe. Nicht das übliche Influencer-Getöse, sondern mit Infos zwischendrin und es wird vermittelt, wie es den Betreffenden wirklich geht.

      Der Film lässt sich zusammenfassen mit:
      Das größte Drama ist Social Media. Social Media ist bewusst so designt, dass wir davon abhängig werden.

      Mein Tipp: Entweder ganz auf Social Media verzichten oder zumindestens die App vom Smartphone löschen und wenn, dann über den Browser einloggen und nutzen. Anschließend wieder ausloggen. Das ist umständlicher und macht man nicht mal so eben kurz.

      1. Unlogische Stellen gabs trotzdem: Warum Jenke losfährt, obwohl da – wider Erwarten – kein funktionierendes Navi im Auto ist, verstehe ich nicht. Ich hätte direkt vor Ort – vor dem Losfahren – jemanden gefragt, wie man zum Ziel kommt und mir dies aufgeschrieben. Unterwegs kann man ja trotzdem fragen.

        Wenn ich gewusst hätte, dass ich in einer fremden Gegend unterwegs bin, hätte ich mir (sogar mit Smartphone) vorher mal eine Straßenkarte besorgt oder zumindestens am Computer Zuhause mal einige Ausdrucke gemacht. Ich habe mich nie nur auf Smartphone-Navigation verlassen. Da reicht ja ein Funkloch oder Probleme mit GPS aus, um im Chaos zu landen.

        1. Da musste ich auch grinsen. Das sind halt die „Jungschnösel“, die nicht gelernt haben, Straßenkarten zu lesen 😉
          Ich habe erst mit Ü 40 ein Navi gekauft. Davor bin ich kreuz und quer durch die Welt gefahren mit Karten. Und gerade in den USA gibt es an jeder Tankstelle Straßenkarten.
          Aber Jenke hat sich ja wenigstens getraut, nach dem Weg zu fragen. Was angeblich für Männer „ungewöhnlich“ sein soll. Komisch nur, dass die Leute sich auch in ihrer eigenen Gegend nicht auskannten.

          1. Der Jenke selbst ist so jung ja gar nicht mehr. Aber das hinterstehende Team vermutlich, die das alles vorher geplant haben.
            So eine Abhängigkeit von digitalen Geräten ist schon unangenehm. Ich habe mir selbst mit Handynavi für unbekannte Ecken immer nochmal einen Plan ausgedruckt und einige Notizen gemacht. So oldschool ist das also gar nicht

        2. Das ist natürlich gescripted. Für den Zuschauer. Es soll ja witzig wirken. Analoger Clickbait. Ungeschicklichkeit, Zufälle, Erotik, Tiere, Kinder, Gefahren..und schon sind viele dabei.

          1. Was bei mir dann nicht geklappt hat. Ich habe mich maximal über die Dummheit amüsiert. Aber eigentlich fand ich es blöd, sich so dusselig anzustellen.

  2. Das Schlimme an der ganzen Sache ist, dass es die meisten nicht interessiert, welche Daten sie da alles preisgeben.
    Ich habe schon einmal einem Bekannten geholfen, seine Daten besser zu schützen und weniger Werbung zu sehen. Eine Woche später hat er mich angerufen und gefragt, wie er das wieder rückgängig machen kann. Bei den Spielen, die er auf dem Handy hat, kann er keine Werbung mehr sehen. Das würde dazu führen, dass er keine Boni mehr in den Spielen bekommt. Okay, ich habe es wieder geändert – jeder, wie er möchte. Verstehen muss ich das ja nicht.

    1. Keine Boni bei den Spielen – kaum zu fassen. Viele Menschen interessiert es wirklich überhaupt nicht. Kleinkind mit Smartphone im Kinderwagen (es ist dann ruhig), Kinder im Kindergartenalter wie gebannt auf das Smartphone schauend (die sind dann auch ruhig). Erwachsene mit Spielen, Tiktok, WhatsApp – die werden nicht abgelenkt, weil die Kids ja ruhig sind. Sieht man alles in Bus und U-Bahn.

  3. Danke für deinen Satz „Ein Smartphone ist kein Teddybär.“

    Die ePA habe ich – um zu sehen, was für ein Mist darin steht. Bin seit Wochen mit Korrekturen (der Abrechnungen der Ärzte und der falschen darin erfassen Diagnosen – Hautkrebs anstatt kein Hautkrebs!) beschäftigt.

    1. Es gibt wohl mehrere Leute, die sagen, dass in der ePA falsche oder übertriebene Diagnosen stehen. https://www1.wdr.de/nachrichten/falsche-diagnosen-in-elektronischer-patientenakte-100.html 🤯
      Das wäre der einzige Grund für mich, warum es Sinn macht, sich diese ePA mal selbst anzuschauen. Ich werde aber noch weiter abwarten, da zwar einige Sicherheitslücken geschlossen sind, aber unproblematisch läuft die ePA bei weitem noch nicht. https://netzpolitik.org/2025/gesundheitsdigitalisierung-am-limit-warum-es-bei-der-elektronischen-patientenakte-noch-immer-hakt/

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